"Mein größter Wunsch: zur Schule gehen."
Jonathan, 11 Jahre, an Muskeldystrophie erkrankt
Oberhausen, im Advent 2019
Liebe Freundinnen und Freunde von Kinder in Rio,
im Mai dieses Jahres begleitete ich unsere Vorstandsvorsitzende Sonja Kienzle nach Brasilien, um unsere Hilfsprojekte rund um Rio de Janeiro kennenzulernen – zwei ereignisreiche Wochen, mitreißende Geschichten, bewegende Momente und bemerkenswerte Menschen. Heute möchte ich mit Ihnen die Geschichte von zwei wunderbaren Kindern teilen, die mich nicht loslässt..
Früh aufstehen, fertig machen, in die Schule gehen, bestenfalls mit dem Bus – können Sie sich noch an Ihre Schulzeit erinnern?
Das ist der ganz normale Alltag für Millionen Kinder und Jugendliche bei uns in Deutschland. Wie dankbar ich für meine Schulzeit bin und wir alle sein sollten, wurde mir noch einmal so richtig bewusst, als ich bei einem Besuch mit unserer Sozialarbeiterin Camilla die Brüder Asafe (9 Jahre) und Jonathan (11 Jahre) kennenlernte.
Die beiden leben mit ihrer Familie in Belford Roxo, einem Vorort von Rio de Janeiro, der für Gewalt und Drogenhandel berüchtigt ist. Der Weg zur Hütte der Familie ist mehr als abenteuerlich. Zunächst geht es vorbei an einigen Jugendlichen mit Maschinengewehren und Funkgeräten, die in aller Seelenruhe Drogen in kleine Tütchen verpacken. Szenen wie im Film... Ein äußerst beklemmendes Gefühl packt mich, als mir diese harte Lebensrealität insGesicht schlägt. Plötzlich endet der Asphalt und wir durchqueren ein Feld aus Schlammpfützen. Die Zielgerade ist eine Holzplanke über einen kleinen Bach, über die ich mir wackelig meinen Weg bahne.
Endlich bei der Familie angekommen erzählt die kleine Hadassa gerade ihrem Bruder Jonathan begeistert von ihrem Tag in der KiTa. Als er von all den Spielsachen und den Freunden seiner Schwester hört, sackt Jonathan betrübt in sich zusammen.
Mit traurigen Augen sieht er uns an und sagt: „Ich möchte Hadassa so gerne einmal begleiten und mit den Spielsachen in der KiTa spielen. Aber mein größter Wunsch ist es, selbst in die Schule zu gehen und Freunde zu haben.“
Jonathan sitzt im Rollstuhl. Sein Bruder Asafe wird bald ebenfalls einen benötigen. Beide Kinder leiden an Muskeldystrophie des Typs Duchenne, einer muskulären Erbkrankheit, und können sich nicht aus eigener Kraft fortbewegen. Sie müssen überall hin getragen werden.
Beide Jungen müssten eigentlich eine Förderschule für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigung besuchen. Was bei uns (fast) eine Selbstverständlichkeit ist, stellt sich in Brasilien als Ausnahme dar: Die nächste Schule liegt weit entfernt und ein spezieller Privattransport wäre notwendig, den sich die Familie nicht leisten kann, denn sie lebt am Rande des Existenzminimums.
Ich habe seitdem oft an meinen Besuch bei Asafe und Jonathan gedacht und mich gefragt, wie es ihnen wohl inzwischen geht. Seit meiner Abreise konnten wir die Familie in unser Projekt Familienhilfe einbinden. Nachdem wir die Grundbedürfnisse der Familie sichern und sie erfolgreich dabei unterstützen konnten, eine staatliche Rente zu beantragen, steht nun vor allem im Vordergrund, den Schulbesuch für die Jungen zu ermöglichen.
Liebe Freundinnen und Freunde von Kinder in Rio, diese Geschichte von zwei Brüdern, denen wir hoffentlich bald einen Herzenswunsch ermöglichen können, erfüllt mich mit einem tiefen Gefühl von Dankbarkeit und Zuversicht – und zwar Dank Ihnen! Ihre regelmäßigen Spenden ermöglichen es uns, Kindern wie Jonathan und Asafe zu helfen und ihnen ihre Träume zu erfüllen. Muito obrigada!
Helfen Sie uns auch bitte weiterhin, gemeinsam Menschen in Notsituationen zur Seite zu stehen und Hoffnung zu schenken – für lachende Kinder und starke Familien!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes und gesegnetes Weihnachtsfest im Kreise Ihrer Lieben und verbleibe mit herzlichem Dank!
Ihre Julia Wasmeier